Pferd und Ethik

Einleitung

Die Stellung des Pferdes in der Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Das Pferd ist heute ein Lebewesen, dessen Würde, Eigenwert und natürliche Bedürfnisse respektiert werden, dessen Verwendung aber gleichzeitig den Wünschen der Menschen in Freizeit und Sport genügen muss. Seit 2008 ist die „Würde des Tieres“ als ethischer Hintergrund im schweizerischen Tierschutzgesetz verankert, nachdem dieser Begriff nach einer Volksabstimmung im Jahre 1992 in die Verfassung aufgenommen worden ist.

Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) richtet seit 2008 ein besonderes Augenmerk auf das Thema „Ethik im Pferdesport“, was auch in einem entsprechenden Vorstandsbeschluss vom 6. September 2008 festgehalten ist. In diesem Zusammenhang wurde entschieden, im Observatorium der Schweizerischen Pferdebranche mitzuarbeiten.

Die Arbeit beginnt am 30. April 2009 mit der 4. Jahrestagung Netzwerk Pferdeforschung Schweiz. Die Diskussionen zeigen, dass die Fragen zur Ethik und der Würde einer Kreatur aber nicht nur den Pferdesport betreffen. Auch Züchter, Freizeitreiter und Pferdehalter müssen sich mit diesem schwierigen Thema auseinandersetzen

Runder Tisch "Pferd und Ethik"

Als Anstoss für eine weiterführende Bearbeitung organisierten das Schweizerische Nationalgestüt SNG in Zusammenarbeit mit dem Observatoire de la filière cheval OFiChev einen runden Tisch „Pferd und Ethik“ mit den Zielen, gemeinsame Wege einer Sensibilisierung ohne Schuldzuweisungen zu finden und ein stetiges Sich-Hinterfragen im Umgang mit Pferden zu erreichen.

Eingehend diskutiert wurden unter anderem der Begriff der „Würde der Kreatur“ und dessen Bedeutung für das Pferd. Als Ergebnis konnte das Bedürfnis festgestellt werden, vermehrt Information, Kommunikation und Wissensvermittlung im Bereich Ethik zu betreiben. Zudem wurden das OFiChev und das Schweizerische Nationalgestüt konkret beauftragt, eine Arbeitsgruppe „Pferd und Ethik " zu gründen und einen Bericht zu veröffentlichen.

Schlussbericht

Der am 7. September 2011 präsentierte  Bericht sollte jeder Person und jeder sich mit dem Pferd befassenden Organisation erlauben, „sich in einen Zustand des aufmerksamen und kritischen Denkens zu versetzen“. Dies sei unabdingbar, um in Kenntnis der Sachlage in einer bestimmten Situation einen verantwortungsbewussten Beschluss zu fassen, der den Respekt vor der Würde des Pferdes fördert und die Unwissenheit abbaut.

Poncet Pierre-André, Bachmann Iris, Burger Dominik, Ceppi Anne, Friedli Katharina, Klopfenstein Stéphane, Maiatsky Michaïl, Rieder Stefan, Rubli Simone, Rüegg Patrick, Trolliet Charles F. (2011) : Überlegungen zu Ethik und Pferd - Denkanstösse aus ethischer Sicht im Hinblick auf einen besseren Schutz der Würde und des Wohlergehens des Pferdes, Bericht des Observatoriums der schweizerischen Pferdebranche, Avenches [pdf 985 ko]

Umsetzung

Die Natur und insbesondere die Pferde werden in einer ganz anderen Weise wahrgenommen als noch vor einigen Jahrzehnten. Die Gesellschaft verlangt nach einer neuen Einstellung gegenüber den Lebewesen; je höher eine Art in der Hierarchie der Haustiere steht, umso höher sind die Forderungen in Bezug auf Respekt der Würde und des Wohlergehens. Es kann vermutet werden, dass kritische Beobachter der Pferdeszene berechtigterweise weiterhin legitime Erwartungen an die Branche äussern werden.

Die Verantwortung, ungerechtfertigte oder übermässige Belastungen der Pferde zu vermeiden, liegt vorab bei den Personen (Benutzer, Halter, Züchter, Pferdepfleger, Therapeuten usw.), die in direktem Kontakt mit ihnen stehen. Ihnen obliegt von Fall zu Fall die Aufgabe der ethischen Beurteilung durch Güterabwägung in den verschiedenen Situationen.

Parallel dazu haben die verschiedenen Organisationen dieser Personen (Zucht- und Sportverbände, Berufs- oder Standesorganisationen) die Aufgabe, die ethischen Abwägungen zu beachten, beispielsweise bei der Ausarbeitung der Reglemente zum Schutz der Pferde, der Ausbildungsprogramme  oder zur Festlegung der Zuchtziele.

Jüngste Fortschritte

a) Rollkur, Schlaufzügel und Barren
Seit dem 1. Januar 2014 gelten die Rollkur und das Barren in der Tierschutzverordnung explizit als verbotene Handlungen bei Pferden. Damit bezieht die Schweiz Position in einem in den letzten Jahren im Reitsport immer wieder diskutierten Thema.

„Der Pferdesportverband muss sich nun genau überlegen, was diese Bestimmungen für ihn bedeuten", sagt Hans Wyss, Direktor des BLV, in einem Interview mit dem „Bulletin“ des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport.

SVPS, 19 Oktober 2015: Bisher waren Schlaufzügel noch eingeschränkt an Wettkämpfen der Disziplin Springen erlaubt. Im aktuellen Springreglement des Schweizerischen Verbands für Pferdesport SVPS steht unter Artikel 7.9 Absatz 3: «Schlaufzügel sind verboten für Prüfungen und auf dem Abreitplatz, sobald gesprungen wird.» Neu gilt ab dem 1. Januar 2016 ein generelles Schlaufzügelverbot.

b) Einsatz von Zuchtstuten
In seinen „Spezielle Bestimmungen zu Tierschutz und Ethik“ (§7.1 Veterinärreglement) vom 30. April 2013 erlässt der Schweizerische  Verband für Pferdesport SVPS  neue Regelungen betreffend den Einsatz von trächtigen Stuten und solchen, die bereits gefohlt haben. „Trächtige Stuten dürfen ab dem 7. Trächtigkeitsmonat und bis zum Ende des 3. Monats nach Geburt nicht im Sport eingesetzt werden". Sollte eine Stute trotzdem eingesetzt werden, werden das Pferd und die verantwortliche Person disqualifiziert, die Resultate gestrichen und der Fall der Sanktionskommission gemeldet

LDer Erlass dieses Artikels hat unter Züchtern während seiner Erarbeitung heftige Diskussionen ausgelöst. Gewisse Vertreter wollten stärkere Einschränkungen (Startverbot ab dem 4. Monat gemäss Vorschlag der Veterinärkommission in ihrem ersten Entwurf), andere wiesen jegliche Einschränkung zurück. Schliesslich votierte die Mehrheit der Zuchtorganisationen für die zweite Version, ein von der Veterinärkommission eingebrachter Kompromiss.

c) Missstände im internationalen Endurance-Sport; der SVPS bezieht klare Position
Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) hat gegenüber der Fédération Equestre Internationale (FEI) seine Unzufriedenheit über gravierende Missstände in Bezug auf Tierschutz und Ungleichbehandlung von Athleten an internationalen Endurance-Wettkämpfen klar zum Ausdruck gebracht. Er erwartet nun von der FEI konkrete Lösungsvorschläge sowie einen unverzüglichen Aktionsplan. Der SVPS verweist in seinem Schreiben vom 26. März 2013 an die FEI auf die hohe Zahl von gedopten und verletzten Pferden an internationalen Endurance-Wettkämpfen und auf die Verstösse gegen den FEI-„Code of conduct“.

Als Antwort auf die unbefriedigende Reaktion der FEI verlangt der SVPS in einem weiteren Schreiben von der FEI nochmals klar einen konkreten Aktionsplan, der aufzeigen soll, wie die seit Jahren herrschenden Missstände bekämpft werden sollen. Zudem verlangt er die Publikation der Doping- und Unfallstatistiken der letzten fünf Jahre.

Auf Einladung der Fédération Equestre Internationale (FEI) wurden am Mittwoch 24. Juli 2013 am FEI-Hauptsitz in Lausanne die vom Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) kritisierten Zustände im internationalen Endurance Sport diskutiert. Im Rahmen dieses Round-Table-Gesprächs einigten sich die Teilnehmer auf die Einsetzung einer Expertenkommission (Endurance Strategic Planning Group ESPG), welche bis am 31. Januar 2014 die Vorkommnisse in der Endurance analysieren, aufarbeiten und dann Lösungsvorschläge unterbreiten soll.

Der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) ist jedoch mit dem Vorschlag der FEI zur Zusammensetzung dieser Kommission nicht einverstanden. Er besteht auf der Einsetzung von absolut unabhängigen Fachleuten, die für den Endurance-Sport wirkliche, unverzichtbare Verbesserungsvorschläge entwickeln können. Der SVPS fordert einen neutralen, aussenstehenden und damit unabhängigen Vorsitz der Kommission, die aus unabhängigen, repräsentativen Vertretern bestehen muss: Richter, Tierärzte, Athleten und anerkannte Pferdeexperten, auch aus anderen Disziplinen.

Nach einer Vernehmlassung betreffend 37 vorgeschlagene Massnahmen unterstützt der Schweizerische Verband für Pferdesport einige der Punkte, er besteht aber darauf, dass sofortige Massnahmen unabdingbar sind. Nach dem Eingang aller Fragebögen wurden diese zur Durchsicht den nationalen Verbänden zugestellt. Aus Sicht des SVPS ist die Auswertung dieser Antworten nicht nach wissenschaftlich korrekten Methoden erfolgt (nur 19 eingereichte Fragebögen bei 132 nationalen Verbänden, einige Verbände wurden mehrfach berücksichtigt, nicht alle Antworten wurden ausgewertet, einzelne Antworten von gewissen Verbänden wurden nicht zur Information an alle Verbände weitergeleitet bzw. wurden zurückbehalten).

Der SVPS stellt sich die Frage, ob die FEI wirklich gewillt ist, den Problemen im Endurance-Sport überzeugend und mit wirkungsvollen Massnahmen entgegen zu treten.

d) Tierschutz beim Züchten von Tieren
Das Bundesamt für Veterinärwesen (BVET; neu BLV) hat die Zuchtverbände und interessierte Organisationen zum Dialog aufgerufen und sie anlässlich einer Informationsveranstaltung am 21. März 2012 in Bern über die Tierschutzanforderungen beim Züchten informiert.

Bei vielen Nutz- und Heimtierrassen sind effektiv mehr oder weniger ausgeprägte gesundheitliche Probleme bekannt, die teilweise mit züchterisch erwünschten Merkmalen im Zusammenhang stehen. Treten in einer Zuchtpopulation Erbfehler oder bestimmte Krankheiten vermehrt auf oder sind rassespezifisch erwünschte Merkmale mit negativen Auswirkungen auf das Tierwohl verbunden, besteht Handlungsbedarf.

Wenn in einer Zuchtpopulation Erbfehler oder bestimmte Krankheiten vermehrt auftreten oder rassespezifisch erwünschte Merkmale mit negativen Auswirkungen für das Tier verbunden sind, werden züchterische Überwachungs- und Bekämpfungsmassnahmen erforderlich, um die Belastung der Tiere in zukünftigen Generationen zu senken. Mit schwer belasteten Tieren darf nicht gezüchtet werden.

LDie Tierschutzverordnung  (TSchV) schreibt vor, dass beim Züchten darauf zu achten ist, gesunde Tiere zu erhalten, die frei von Merkmalen sind, die ihre Würde verletzen. Weiter enthält sie Bestimmungen über zulässige sowie verbotene Zuchtziele. Die Kriterien und das Vorgehen zur Beurteilung der Belastung werden in der BLV-Verordnung über den Tierschutz beim Züchten geregelt. Das Schwergewicht wird auf Prävention und nicht auf Verbote gelegt.

28.04.2014
Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) eröffnet die Anhörung:  Verordnung über den Tierschutz beim Züchten von Tieren

09.12.2014

  • Neue Verordnung des BLV: Tierschutz beim Züchten

25.10.2015

e) Ausbildungsprogramme
Rat und Observatorium der Schweizer Pferdebranche stellt mit Befriedigung fest, dass zahlreiche Organisationen das Thema „Pferd und Ethik“ in ihre Ausbildungsprogramme aufgenommen haben, zum Beispiel der Schweizerische Verband für Pferdesport (SVPS) beim Brevet oder bei der Ausbildung der Platztierärzte.